1. Einführung und gesetzlicher Rahmen
Leitendes Ziel ist es, in den Arbeitsfeldern des Posaunenwerks sexualisierte Gewalt zu verhindern und die Arbeitsfelder täter*innenunfreundlich zu gestalten.
Gleichzeitig gilt es dort, wo trotz entsprechender Vorsichtsmaßnahmen Tatbestände sowie Grenzüberschreitungen festgestellt werden, diese klar zu benennen und aktiv an der Aufklärung und Aufarbeitung mitzuarbeiten.
Das vorliegende Rahmenkonzept gibt Musterregelungen und Orientierungen zur Ausarbeitung der jeweiligen Schutzkonzepte auf Kirchenkreis-, Gemeinde- und Verbandsebene.
Den gesetzlichen Rahmen bildet das Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland und seine Durchführungsverordnung. Alle Angebote, die grundlegend oder zusätzlich eine öffentliche Förderung der Kommunen oder Bundesländer im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen, unterliegen den Bestimmungen des SGB VIII, besonders §§ 8a (Schutzauftrag bei Kindswohlgefährdung) und 72a (Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen).
2. Potential- und Risikoanalyse
Wir sichern zu, in unseren Angeboten eine täter*innenunfreundliche Umgebung zu schaffen. Dazu gehört die intensive Auseinandersetzung mit:
- physischen Räumen, also den Arbeitsorten, der räumlichen Umgebung,
- strukturellen Räumen, also den Arbeitssettings, der Teilnehmendenstruktur wie auch der Mitarbeitendensituation
- den Kommunikationsräumen (Gesprächsverhalten, Beschwerdemöglichkeiten, Partizipations-möglichkeiten)
- den virtuellen Räumen (social media, Netzwerke, Plattformen, Gruppen)
- Maßnahme-/ Angebotskonzepten, die wiederkehrend sind.
Inhalte einer Risikoanalyse sind in Anlage 1 benannt.
3. Verhaltenskodex und Selbstverpflichtung
Als Posaunenwerk der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland arbeiten wir im Rahmen des Gewaltpräventionskonzeptes auf Grundlage eines gemeinsamen Verhaltenskodexes. Der Verhaltenskodex des Posaunenwerkes der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland leitet sich aus unseren Leitbildern ab und ist zwingender Teil einer Selbstverpflichtungserklärung aller ehren- und hauptamtlicher Mitarbeiter*innen in unseren Arbeitsbereichen. Die Selbstverpflichtungserklärung ist durch alle tätigen Personen abzugeben und bei den zuständigen Personen vor Ort zu hinterlegen. Wir verpflichten uns damit, gegenüber unseren Schutzbefohlenen ein grenzachtendes, respektvolles und persönlichkeitsschützendes Verhalten zu wahren. Der Verhaltenskodex und die Selbstverpflichtungserklärung (siehe Anlage 2) sind somit als gemeinsamer Orientierungsrahmen und Regelwerk des Miteinanders wichtige Bausteine der Gewaltprävention.
4. Erweitertes Führungszeugnis
Alle Personen die Umgang mit Schutzbefohlenen und Zugang zu den Räumlichkeiten haben, legen zur Einsicht nach § 72a SGB VIII ein erweitertes Führungszeugnis vor. Für die Beantragung wird ein Muster zur Verfügung gestellt (siehe Anlage 3). Soweit Ehrenamtliche ein erweitertes Führungszeugnis beantragen, ist dies mit einer Bescheinigung des Trägers kostenfrei.
5. Fortbildungen
Unsere Mitarbeitenden sind abgestuft nach Tätigkeit und Verstetigung der haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeiten, im Sinne der Kenntnisse über Ziele und Verfahrenswege dieses Konzeptes fortgebildet.
6. Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Anregungen und Fragen zum Gespräch im Vorfeld von Freizeiten und Unterricht:
- Können Kinder und Jugendliche die Angebote und den Alltag mitbestimmen und mitgestalten?
- Wie werden Regeln aufgestellt und kommuniziert?
- Gibt es Strukturen für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (Gruppensprecher*innen oder Ähnliches)?
- Wird Kindern und Jugendlichen regelmäßig Gelegenheit gegeben, über Themen zu sprechen, die für sie relevant sind?
- Ist die Gesprächsatmosphäre in Ihren Angeboten so vertrauensvoll, dass Kinder und Jugendliche wissen, dass es keine Tabu-Themen gibt?
- Wird in Gruppen und Angeboten regelmäßig darüber gesprochen, ob und wenn ja, welche Gefährdungen Kinder und Jugendliche wahrnehmen, was für sie Grenzverletzungen sind und wo sie allgemein Probleme im Gruppengeschehen und in der Interaktion zwischen Kindern / Jugendlichen und Mitarbeitenden wahrnehmen?
- Sind Kindern und Jugendlichen Informationen über Hilfe und Beratung bekannt und sind die dahinterstehenden Entscheidungsprozesse auch für sie transparent?
- Sind Kinder und Jugendliche, Eltern bzw. Sorgeberechtigte und Mitarbeitende über ihre Rechte aufgeklärt worden – und zwar so, dass sie diese Rechte verstehen und wissen, wo sie Unterstützung erhalten?
7. Präventionsangebote
Erfolgreiche Präventionsmaßnahmen bedeuten bei uns:
- Regelmäßige Mitarbeiter*innenschulungen
- Thematisieren von sexualisierter Gewalt mit Sorgeberechtigten, Eltern ...
- Arbeit nach den Präventionsgrundsätzen (siehe Anlage 4)
- Schaffen einer täter*innenunfreundlichen Umgebung
8. Beschwerdeverfahren / Vertrauensperson
Das Beschwerdemanagement ist eine der tragenden Säulen für die Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen. Dabei werden Beschwerden von Kindern und Jugendlichen als Impulse für die Weiterentwicklung der Arbeit betrachtet. Außerdem werden Kinder und Jugendliche dazu ermutigt, ihre Wahrnehmung der Situation zu schildern und sich zu äußern, wenn sie eine Grenzverletzung erleben. Ein Kind oder Jugendlicher wird wegen einer Beschwerde niemals benachteiligt, diffamiert oder in sonstiger Art und Weise unter Druck gesetzt. Die Mitarbeitenden sind verpflichtet, Beschwerden von Kindern und Jugendlichen, ernsthaft aufzunehmen, zu prüfen und sich auf entsprechende Änderungsmöglichkeiten einzulassen. Gute Erreichbarkeit, umfassende Information, Interesse, Aufmerksamkeit, Verständnis und eine alters- und entwicklungsangemessene Sprache sowie eine schnelle Reaktion sind wesentliche Aspekte des Beschwerdemanagements für Kinder und Jugendliche. Möglichkeiten zur Beschwerde sind das Gespräch zwischen dem Kind bzw. Jugendlichen und den betreffenden Mitarbeitenden, einem oder einer anderen Mitarbeitenden, einer von ihm selbst gewählten Vertrauensperson oder einer benannten zuständigen Person sowie sonstige schriftliche Rückmeldungen in jeder Form. Beschwerden können persönlich, anonym oder als Gruppe vorgetragen werden.
Beschwerde aufnehmen
- Die Aufnahme der Beschwerde erfolgt durch die Person, an die das Kind oder der bzw. die Jugendliche sich gewandt hat. Die Zuständigkeit für die jeweilige Beschwerdebearbeitung innerhalb der Einrichtung wird geklärt.
- Für das Gespräch wird ein störungsfreier Raum gesucht und ausreichend Zeit eingeräumt.
- Dabei wird durch aktives Zuhören und offenes Fragen die Beschwerde möglichst genau erfasst und ernst genommen.
- Dem Kind oder dem bzw. der Jugendlichen wird für seine bzw. ihre Offenheit gedankt.
- Gemeinsam mit dem Kind oder dem bzw. der Jugendlichen werden Lösungsmöglichkeiten, die es bzw. ihn oder sie entlasten können, überlegt und sofort oder in weiteren Gesprächen abgesprochen.
- Bei Schritten, die das Kind oder der bzw. die Jugendliche selbst zur Lösung unternehmen kann, wird ihm bzw. ihr nach Wunsch und bei Bedarf Unterstützung gegeben.
- Schritte, die im Verantwortungsbereich der Erwachsenen liegen, werden dem Kind oder dem bzw. der Jugendlichen gegenüber eindeutig so benannt. In solchen Fällen übernimmt die angesprochene Person das weitere Vorgehen, einschließlich der Weiterleitung der Beschwerde in Absprache und mit Information des Kindes oder des bzw. der Jugendlichen soweit möglich.
- Bei Anzeichen sexualisierter Gewalt oder anderen Formen von Kindeswohlgefährdung muss sofort zum Wohl des Kindes oder der bzw. des Jugendlichen gemäß Notfallplan gehandelt werden. Die angesprochene Person ist zur Weiterleitung an die Leitungsperson/ Vertrauensperson verpflichtet. Die Verantwortung für das weitere Vorgehen liegt bei der Leitung des Trägers.
- In Absprache mit dem Kind oder der bzw. dem Jugendlichen und bei Fällen sexualisierter Gewalt, werden die Personensorgeberechtigten über die Beschwerde informiert und auch mit ihnen wird das weitere Vorgehen abgesprochen.
- Möchte das Kind oder der bzw. die Jugendliche nicht mit der Person, die es zuerst aufgesucht hat, weitersprechen, so wird mit ihm bzw. ihr nach einer Person gesucht, der es vertrauen kann.
Beschwerden zu Interaktionen
- Betrifft die Beschwerde eine Interaktion zwischen Mitarbeitenden und Kind bzw. Jugendlichem, ohne dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, so ist gemeinsam mit dem Kind oder der bzw. dem Jugendlichen abzuwägen, ob er bzw. sie selbst, ggf. unter Hinzuziehung einer Vermittlungsperson, mit der betreffenden Person sprechen kann.
- Ist dies nicht möglich, kann die Beschwerde aufnehmende Person mit der bzw. dem Betreffenden, eventuell auch unter Anonymisierung des Beschwerdeführenden Kindes oder der bzw. des Jugendlichen, sprechen.
Beschwerden zu Gestaltung und organisatorischen Abläufen
Beschwert sich ein Kind oder ein Jugendlicher bzw. eine Jugendliche über organisatorische Abläufe oder die Gestaltung des Angebots, so ist eine gute Abwägung wichtig. Nicht jede Beschwerde und jeder Veränderungswunsch entspricht dem pädagogischen Konzept der Einrichtung oder Maßnahme. Dementsprechend kann nicht jeder Wunsch von Beschwerde Führenden aufgegriffen werden. Die Auseinandersetzung auf der pädagogischen Ebene ist notwendig und eine inhaltliche Begründung ist zu geben. Wichtig ist eine gute Kommunikation mit dem Stichwort „Wir bleiben im Gespräch“. Anonymen Beschwerden wird ebenfalls nachgegangen.
9. Notfallplan bei Verdachtsfällen von sexualisierter Grenzüberschreitung / Gewalt
a) Ruhe bewahren, entschleunigen und Situation analysieren
- Reflexion der eigenen Rolle und der eigenen Gefühle
- Verdachtstagebuch führen (Was beobachten Sie? Welche Signale? Wann beziehungsweise seit wann? Wer? Wie häufig?)
- Kein Aktionismus! Nicht mit den vermuteten Tätern oder den Eltern der Kinder sprechen. Das macht u. U. die Situation für die Betroffenen nur noch schwieriger.
- Einschätzen, wie sicher oder gefährdet das Kind aktuell ist! Nur bei akuter Gefahr müssen Sie sofort eingreifen, davor bitte noch eine Telefonberatung mit der Ansprechpartnerin der Landeskirche und/oder des Posaunenwerkes.
b) Situationsanalyse überprüfen
- Vertrauliches Gespräch über die Beobachtung mit anderen Mitarbeitenden, die ebenfalls mit dem Kind arbeiten.
- Ggf. Gespräch mit der Vertrauensperson des Posaunenwerkes
- Überlegen Sie gemeinsam, ob sich ein ausreichender Verdacht bestätigt und was die notwendigen nächsten Schritte sind!
c) Hilfe organisieren
- Holen Sie professionelle Hilfe von den Kinderschutzdiensten, der „In-soweit-erfahrenen-Fachkraft“ oder vom Jugendamt.
- Besprechen Sie, welche Person am geeignetsten ist, um mit dem möglicherweise betroffenen Kind zu sprechen. (fachliche Qualifikation!)
- Hat sich Ihnen ein Kind anvertraut, bitte das gesamte Vorgehen mit ihm altersgerecht besprechen. Dabei ist es wichtig, dass eine Person direkt an der Seite des Kindes als spezielle Vertrauensperson bleibt.
- Keine automatische Strafanzeige ohne Zustimmung der Betroffenen.
d) kirchlicher Kontext
- Wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass die Tat im kirchlichen Kontext geschieht, informieren Sie umgehend Ihren Superintendenten/Ihre Superintendentin bzw. die entsprechende dienstvorgesetzte Person.
- Bleiben Sie klar an der Seite der Betroffenen, aber ohne eine Vorverurteilung des Beschuldigten, der Beschuldigten.
Vertrauensperson des Posaunenwerkes
In Verdachtsfällen sexualisierter Gewalt nimmt Pfarrerin Edelgard Richter (Lindenallee 20, OT Sprotta 04838 Doberschütz; 03423 / 754478; Edelgard.richter@ekmd.de) Beschwerden entgegen.
Beschwerden werden in dem Beschwerdedokument festgehalten durch die Vertrauensperson datenschutzkonform aufbewahrt.
Veränderungen/Umsetzungen, die sich aus Beschwerden ergeben werden schriftlich festgehalten.
10. Falldokumentation
Jede Meldung wird von der jeweils für die einzelne Veranstaltung des Posaunenwerks verantwortliche Person ernst genommen und datenschutzkonform (nach DSGVO) zum Zweck der Nachvollziehbarkeit/Analyse dokumentiert (siehe Anlage 5).
Dieses Gewaltschutzkonzept wurde vom Posaunenrat des Posaunenwerkes der EKM in seiner Sitzung am 19.1.2024 beschlossen und tritt rückwirkend zum 1.1.2024 in Kraft.
Steffen Pospischil, Obmann des Posaunenwerks der EKM
Anlage 1: Risikoanalyse in 2 Schritten
Anlage 2: Verhaltenskodex, Schutzraumregeln und Selbstverpflichtung
Anlage 3: Musteranschreiben zur Beantragung eines erweiterten Führungszeugnisses
Anlage 4: Inhalte einer möglichen Belehrung der Kinder, z.B. vor Beginn einer Maßnahme
Anlage 5: : Verdachtstagebuch - Falldokumentation
Betroffene sexualisierter Gewalt und Grenzverletzungen können sich an die Ansprechstelle der EKM zum Schutz vor sexualisierter Gewalt wenden:
Pfarrerin Dorothee Herfurth-Rogge
Telefon: 0345 - 68669854
Mobil: 0172 7117672
E-Mail: dorothee.herfurth-rogge@ekmd.de
Beratung und Hilfe zur Prävention sexualisierter Gewalt (auch im einzelnen Gemeindekontext) gibt die Fachstelle der EKM für die Prävention sexualisierter Gewalt:
Barbara Holtermann
Hegelstraße 1
39104 Magdeburg
Telefon: 0391 - 5346 228
E-Mail: barbara.holtermann@ekmd.de
Diakonin Ivonne Stam
Hegelstraße 1
39104 Magdeburg
Telefon: 0391 - 5346 223
E-Mail: ivonne.stam@ekmd.de
Unabhängige Meldestelle für Betroffene von Fällen sexualisierter Gewalt in der EKM:
Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk „Kind im Zentrum"
Juristenstraße 12
06886 Lutherstadt Wittenberg
Telefon: 03491 - 4593882
E-Mail: meldestelle.kiz-wittenberg@ejf.de